Camino portugues Küstenweg

Der Tag kommt, an dem ich mein Gesicht der Sonne zuwende und die Schatten hinter mich fallen.

23. Juli 2015, der Tag hatte sich schon vor Monaten in mein Gedächtnis gebrannt. Nun, seither ist einiges gegangen. Nur ich nicht. Die Vorstellung, viel zu trainieren ist schnell verflogen. Ich konnte das nicht so einhalten, wie ich wollte. Nun, es wird auch ohne Training gehen. Momentan liegt das Gewicht vom Rucksack bei 7kg (ohne Flüssigkeit). Das lässt sich hoffentlich aushalten.

18 Tage lang habe ich Zeit, die "Einsamkeit" ohne  Handy zu "geniessen".

Hier siehst du die Karte von meinem Küstenweg, für welchen ich 11 Tage gebraucht habe.

 

1. Tag: Porto - Vila do Conde

Mein Weg hat begonnen, am 23. Juli bin ich nach Porto geflogen und nachdem ich mir bereits dort die Füsse wund gelaufen habe, ging es am 25. Juli los. PS.Porto ist eine wundervolle Stadt, absolut lohnenswert, einen Tag länger dort zu bleiben. Der erste Tag war bereits der Schlimmste der ganzen Wanderung. Ich lernte Mauro kennen. Er hat bereits 6 Caminos gemacht und ist in Lissabon gestartet. Er war deshalb körperlich bereits an einige Kilometer pro Tag gewohnt. Wir machten zu viele Kilometer, zu wenige Pausen und ich lief im Durchschnitt zu schnell. Ungefähr 34km habe ich am ersten Tag abgelaufen. Dann fanden wir auch keinen Platz in der Herberge, da wir ja etwa 12h unterwegs waren und dementsprechend zu spät in Vila do Conde ankamen. Die Feuerwehr war so freundlich und liess uns in der völlig verschmutzten Turnhalle auf herrlich dreckigen Matten schlafen. Zuerst wollte ich eine "warme" dusche nehmen, welche aber nur kaltes Wasser ausspuckte. Naja, es war der schlimmste Tag überhaupt. Mir sind dann auch bereits die Tränen gekommen, als ich an der Mauer "deadline" gelesen habe. Meine Füsse waren fett wie ein Elefant, ich konnte die Zehen nicht mehr spühren und überhaupt, es war einfach zu viel. Dann bellte die halbe Nacht der Feuerwehrhund und es war so eisig kalt. Ich hatte Schüttelfrost und die herrlich schmerzhaften Hüftkrämpfe haben mich die ganze Nacht heimgesucht. Kurzum, ich wollte am Morgen so schnell wie möglich raus aus dieser kalten Halle. Es war draussen sogar wärmer wie drinnen.


2. Tag: Vila do Conde - Marinhas

Hier sieht man auch das konfortable exquisite Bett :-) In den ersten 10min konnte ich kaum einen Schritt tun. Ich hätte schreien können. Mein linkes Knie machte mir bereits Sorgen. Tränen herunterschlucken, Mauro meinte ja, es seien heute "nur" 21km. Nach diesen 10min laufen war es schon nicht mehr sooo schlimm. Die Wege waren wunderschön.. Aber die schmerzfreien Tage würden noch kommen, an denen ich den Weg geniessen kann. Jedoch waren wir auch heute wieder 10h unterwegs und haben etwa 27km gemacht. Am Abend gab es dann ein riesen Festschmaus zur Belohnung :) Ich spürte allmählich, dass ich meinen Weg alleine machen muss, weil mir 30km jeden Tag wirklich zu viel waren.


3. Tag: Marinhas - Viana do Castelo

Heute ging es mir schon etwas besser. Aber auch nach 6h laufen fühlten sich meine Füsse an wie Blei. Der Weg ging heute etwas mehr durch Wälder und über Brücken. Absolut wunderbar. Die Kirchen sind atemberaubend. In der Herberge war auch noch genug Platz. Mauro und ich gingen mit 2 Girls aus Holland essen. Es war sooo lustig, ich hab lange nicht mehr so gelacht, auch über mich selber. Leider glauben die Portugiesen, dass die Touristen einen Schweinemagen haben. Die Portionen waren so gross. Zu diesem "Salat" auf dem Foto kam dann noch eine riesen Portion Spaghetti Carbonara dazu, welche ich mir schön einpacken liess, um es morgen Abend in der Herberge zu essen. Das Wetter war angenehm. Am Abend war ich schon froh, eine Jacke zu haben. Jedoch musste ich mich entscheiden, irgendwo einen Pullover zu kaufen, weil es am Morgen und Abend wirklich frisch sein kann.


4. Tag: Viana do Castelo - Caminha


5. Tag: Caminha - Mougas

Endlich entschied ich mich, den Weg "alleine" zu machen. Heute nahm ich die Fähre um 8 Uhr nach A Guarda (danach bin ich ja schon in Spanien). Das Wetter war nicht zum brüllen, aber sogar das fand ich sehr schön. Die Fahrt nach Spanien hab ich genossen und gezittert. Ich war wirklich nicht für kaltes Wetter ausgerüstet, ich muss mir also wirklich irgendwo einen Pullover kaufen. Auf der Fähre habe ich ein Ehepaar von Rumänien getroffen, welche sehr überrascht gewesen sind, dass ich diesen "einsamen" Weg der Küste entlang machen möchte. Wir haben viel geredet, auch über die Liebe und die Geschichte, wie sie sich kennen gelernt haben. Ich fühlte mich sehr wohl und wir liefen manchmal zusammen und manchmal nicht. Dieser Abschnitt nach Mougas empfand ich als schönster Tag. Ich war total euphorisch wegen all den Gesprächen, einmal mehr der Ausblick war traumhaft und ich machte viele Fotos vom Ehepaar. Die freuten sich, dass sie endlich gemeinsame Fotos haben. Ich begann, den Weg zu geniessen und hielt meine Augen und mein Herz offen.


6. Tag: Mougas - Vigo

Mein erster Tag praktisch komplett alleine. Ich war demenstprechend fix und fertig am Abend. Ich war etwa 12h unterwegs und landete um 10 Uhr abends irgendwo in einem Hotel in Vigo. Ich bekam für 45 Euro ein klitzekleines Zimmer im Dachgeschoss. Ich konnte mich in der Dusche kaum drehen. Ich fand es aber sehr toll dort oben und habe mich wohl gefühlt.

Später drückte ich dem Hotelier eine Tasche voller schmutzigen Kleider in die Hand. Ich war so froh, am nächsten Tag saubere Kleider zu haben. Dafür lohnen sich die 10 Euro. Der überaus freundliche Hotelier bereitete mir sogar noch ein Sandwich zu und ich merkte dann, dass es mittlerweile schon halb 12 war. Ich hab vergessen, die Armbanduhr an der Grenze von Portugal zu Spanien eine Stunde umzustellen. Ich musste herzlich lachen.

Meinem Körper ging es diese Nacht hundeelend. Die Füsse pochten und ich wurde wieder und wieder von Krämpfen heimgesucht. Zu allem Übel schwirrte noch eine Mücke umher. Ich schlief also sehr schlecht. Jedoch war ich top motiviert für den nächsten Tag.


7. Tag: Vigo - Redondela

Heute schlief ich bis etwa 8 Uhr, ich bekam meine Wäsche und ein grandioses Frühstück. Wie froh war ich doch, das der Hotelier einigermassen deutsch konnte und ich mich 1000x bei ihm bedanken konnte. Voller Elan packte ich meinen Rucksack und lief zum Strand. Pfeile sah ich gar keine mehr. Je näher ich der Stadt kam, desto schmerzhafter wurde die rechte Achillessehne. Ich setzte mich ständig wieder auf eine Bank oder auf eine Treppe, um meinen Fuss zu entlasten. Alles half nichts. Irgendwann kaufte ich in einer Drogerie eine Bandage. Auch das konnte das brennende Gefühl die Wade hinauf nicht mehr retten. Ich weinte nur noch, ich fand keine Pfeile mehr und ich konnte meinen Fuss nicht mehr biegen. Ich humpelte also durch eine Stadt, wo jeder meinte, ich sei eine Ausserirdische. Irgendwann sah mich ein älterer Herr und er fragte, ob ich Hilfe bräuchte. Ich weinte und sagte, ich wolle nur noch zur Bushaltestelle, ich könne so unmöglich noch 22km laufen. Eine gefühlte Ewigkeit (30min) begleitete er mich gaanz langsam zum Bahnhof. Er halft mir ein Ticket zu kaufen und ich dankte ihm mit Händen und Füssen in allen Sprachen. Den kurzen Moment, bevor der Bus los fuhr, nutzte ich, um meinem Vater anzurufen, es war nämlich mittlerweile 12 Uhr mittags und ich befand mich immer noch in Vigo. Ich humpelte also 3h durch eine einzige Stadt. Entweder ist Vigo einfach brutal gross oder ich war wirklich schrecklich langsam. Mein Vater beruhigte mich wieder und ich setzte mich in den Bus, wo eine aufgeweckte Engländerin auch die "Abkürzung" nahm. Sie hatte furchtbares Mitleid mit mir, weil ich ja wirklich den Weg laufen wollte.

Sie trug meinen Rucksack in die Herberge, wo ich so schnell wie möglich duschen wollte und von einem Italiener eine extrem scharfe Salbe bekam, um mein Bein einzucremen. Später begegnete ich einem Pilger, der wusste, wie man eine Achillessehne "taped", somit liess ich die äusseren Umstände auf meine Sehne wirken.


8. Tag: Redondela - Pontevedra

Man kann es kaum glauben, aber heute waren meine Schmerzen wie weggeblasen. Ich fühlte mich super.

Heute war das Wetter wieder traumhaft und ich lief mit einem Deutschen Mann, welcher mit seinem 12 jährigen Sohn unterwegs war. Ich fand das eine erstaunliche Leistung von ihm. Am Abend ging ich mit einigen Pilgern meine heissgeliebten Pimientos de Padron essen.


9. Tag: Pontevedra - Caldas de Reis

Dem heutigen Tag würde ich den Titel geben: Gefühlsausbruch....

Einer folgte dem nächsten.

Anstrengend war die Strecke heute gar nicht. Im Gegenteil, ich wurde sogar von "nicht-Rucksack-tragenden" Pilgern eingeholt.

Wirklich total genial fand ich den Kaffeeautomaten, der auf dem Weg in der Wand versenkt war. Ich genoss den warmen Kaffee und fühlte mich, als könnte ich die Welt erobern und besser machen. Dieses Gefühl hielt nicht lange an. Nachdem ich von vielen Hunden erschreckt worden war, hörte ich irgendwann ein jämmerliches Winseln und klopfen. Kurz gesagt, ich konnte das Geräusch nicht zuordnen. Ich drehte wieder um und suchte das Geräusch. Es war unmittelbar nach dem Haus, welches total zugewachsen war. Ich streckte mich und schaute über ein Garagentor. Dort sah ich ihn. Dieser Hund, er sass auf der Treppe, konnte kaum mehr atmen, klopfte mit dem Schwanz angestrengt auf den Boden, in der Hoffnung, mehr Luft zu bekommen und er war total verblutet. Er drehte den Kopf nicht zu mir. Diesen Anblick werde ich nicht mehr vergessen. Ich bekam Panik und ich war so unglaublich wütend auf jeden einzelnen Menschen auf diesem Planeten. Ich hätte den Eigentümer von diesem Hund in jeder Sprache angeschnautzt, die ich sprechen kann. Ich wollte bereits an einer Tür klingeln, kam mir eine "Rucksack-lose" Familie entgegen und fragten mich, was los sei. Unter Tränen und total aufgelöst, versuchte ich der Frau und Mutter der Familie zu erklären, was ich gerade eben gesehen hätte. Sie schaute über das Garagentor und sagte: Da kann man nichts mehr machen, er ist krank, lass uns weiter gehen. In dem Moment, als sie über das Tor schaute, drehte der Hund den Kopf und ich sah, dass beide Augen komplett weiss waren. Zu allem Übel ist er also noch blind. Mein Spanisch liess hier zu wünschen übrig.

Die Frau versuchte, mich vom Hund weg zu nehmen und mit ihnen weiter zu laufen. Ich weinte noch weitere 10min und beruhigte mich fast nicht mehr. Jetzt war ich noch wütend auf mich, dass ich EINFACH davon gelaufen bin und ihn da gelassen hab. Ich betete zu Gott, er soll den Hund bitte sofort zu sich nehmen. Mehr konnte ich gar nicht tun. Die Frau versuchte mit mir über andere Dinge zu reden. So habe ich erfahren, dass sie von Gran Canaria kamen.

Plötzlich holte mich Michael ein, einer, den ich kannte. Ich nannte ihn von nun an Angel Michael, weil ich so froh war, ihn zu sehen. Ich konnte endlich mit jemandem reden und meine bittere Erfahrung teilen. Die Gran Canarier zogen weiter.


10. Tag: Caldas de Reis - Herbón

Der heutige Tag würde heissen: Höre auf dein Herz

Ich lief heute noch ein paar Stunden mit Michael und wir redeten über alles mögliche. Ich merkte dann aber, dass ich mich von ihm trennen muss und folgte später den roten Pfeilen, so kam ich nicht nach Padron sondern nach Herbon.

Ich gönnte mir in einer Bar noch ein Eis. Es begann zu nieseln.

Das Geschenk des Hauses, ein kleiner Hamburger, meinte es mit meinem Bauch nicht so gut und ich musste meinen Aufenthalt am Tisch etwas in die Länge ziehen.

Dann kam tatsächlich eine Pilgerin vorbei. Der Barinhaber hat gesagt, wir seien heute die einzigen, die hier vorbei gelaufen seien (um so mehr Platz haben wir in der Herberge)

Die Pilgerin war eine Deutsche und wir konnten drauflosquaseln was das Zeug hält. Ich muss schon zugeben, es tut schon gut, zwischendurch mal wieder deutsch zu sprechen. Sie kannte natürlich auch den einen oder anderen Pilger, den ich kannte, was die Unterhaltung lustig und unterhaltsam machte.

Wir machten uns nun auf und suchten gemeinsam die Herberge. Diese Herberge war etwas besonderes.


11. Tag: Herbón - Santiago

Ich wollte komplett alleine nach Santiago laufen. Die Deutsche und ich trennten uns also schwerenherzens. Sie wollte sich ein paar Tage Zeit lassen und ich wusste, dass ich heute in Santiago ankommen werde. 10km am Tag zu laufen, waren mir mittlerweile zu wenig. Irgendwie hatte ich keine Freude am heutigen Tag. Ich wollte nicht in Santiago ankommen. Mich nervten alle verkritzelten Steine. Irgendwelche Leute haben überall Sprüche gemalt und Smileys mit wasserfesten Stiften gemalt und die Zeitangabe auf Steine geschrieben.. Es nervte mich, dass man alles verwüsten muss und sich dabei noch so stark fühlt. Da ich es nicht mehr ändern konnte, lief ich weiter. Ich wollte heute wirklich mit niemandem laufen und alleine mit meinen Gedanken sein und mit meiner Trauer, mit der ich zu kämpfen hatte.

Ich freute mich gar nicht, als ich näher kam. So viele Menschen waren plötzlich unterwegs und alle strömten zur Kathedrale. Ich sah sogar 2 Frauen, die mit dem Kinderwagen pilgerten.

Auf dem Platz vor der Kathedrale traff ich die Engländerin wieder, dann lief mir plötzlich Michael über den Weg und dann sah ich den deutschen Rastaman mit seiner Didgeridoo (Ich lernte ihn in Caldas de Reis kennen). Ich rannte ihm entgegen und warf mich um seinen Hals.

Dann sass ich plötzlich inmitten von ganz vielen Freestyle-Typen, welche alle entweder keinen Job haben, in Santiago hangen geblieben sind, einer, der zugab, Alkoholiker zu sein, andere mit Gitarre und der Deutsche Didgeridoo Typ..genau, er hiess Peter. Eine Stunde verging, die 2. Stunde verging, ich holte dann noch schnell meine Compostela, die 3. Stunde verging und ich sass immer noch am Boden vor der Kathedrale. Ich wäre am liebsten weitergezogen. Ich hätte am liebsten irgendwo im Wald geschlafen, nur nicht hier. Dann gesellte sich noch ein Österreicher zu uns. Er führte mich dann in die Unterkunft, wo er seit ein paar Tagen ist und ich bekam ein Einzelzimmer. Welch ein Luxus. Die Dusche war eher kalt und wir traffen uns draussen wider. Der Österreicher, 2 Polen und ich. Ich ass noch etwas kleines und dann ging die Diskussion wieder von vorne los. Wie reich doch die Schweizer seien und wieviel man in Polen verdient bla bla. Es nervte mich und ich bezahlte allen das Glas Wein, welches je 50 Cent kostete. Ich kann einfach nichts dafür, dass wir in der Schweiz mehr verdienen. Aber es kostet ja auch alles viel mehr. Ich hatte soooo viele Solche Unterhaltungen auf dem Jakobsweg und ich kann es einfach nicht ändern.

Ich blieb noch ein paar Tage in Santiago und ich wollte grundsätzlich nach Finisterre laufen, aber natürlich wieder auf einem komplett anderen Weg, als alle anderen.


S A N T I A G O


Finisterre

Finisterra...das Ende der Welt.

Meine Fotografie...

...muss nicht einzigartig sein, muss man nicht verstehen, muss man nicht hinterfragen, muss man nicht nachvollziehen können, muss man nicht bewerten. Man darf sie geniessen und träumen.