Warum den Jakobsweg?

Nun, das fragt sich wohl jeder, warum ICH den Jakobsweg gehen will und es gibt auch solche, die denken, das würde ich mir NIE antun, wie kann man freiwillig in einem "fremden" Land wandern. Sowas kann man doch nicht als Urlaub bezeichnen.

Naja, meine Entscheidung war ja auch beide Male sehr spontan. Ich habe überlegt, Wege angeschaut, mich ein bisschen informiert und der Flug/Zug war schon gebucht. Danach habe ich den Pilgerpass bestellt und Einkäufe in Sportgeschäften erledigt. Ich habe viel Geld für die Ausrüstung gebraucht, da ich nicht im Besitz von einem Rucksack oder Schuhen oder einem schnell trocknendem Duschtuch war. Ich sehe das als Investition, nicht als Verschwendung oder unnötige Ausgabe. Ich hab gehört, Pilgern soll süchtig machen, wer weiss...vielleicht geh ich da noch öfters hin.

Auf jeden Fall, die grosse Frage: WARUM MACHST DU DAS?

Mein Auslöser bei beiden Jakobswegen war die Kündigung und "Erlösung" von meinem Job.

Einen Job aufzugeben, den man so lange gehabt hat, machte mir bewusst, wie ich an etwas festhalten konnte, was mich ja doch nicht glücklich machte. So geht es bei mir vor allem um das Loslassen, alles hinter mir lassen und neu anfangen. Auch beim 2. Jakobsweg bin ich mit dem Gedanken losgelaufen, was ich DANACH tun soll. Welchen Job? Schule? Ob - wann und überhaupt?

Aber warum begibt sich ein Mensch auf diesen Weg der "Einsamkeit"?

Ich spürte in meinen handyfreien 77 Tagen auf dem 2. Jakobsweg: heutzutage MUSS man nicht mehr einsam sein, wenn man nicht will. Man hat den Fernseher, der einem das Gefühl gibt, noch andere Menschen seien im Raum, es gibt das Internet, was einem das Gefühl gibt, alles in Erfahrung zu bringen und andere Menschen zu beobachten und dann gibt es dieses kleine 8-Zoll-Dings, welches man bestimmt 4h am Tag in den Händen hat...genau, das Handy. Ich bin kein bisschen besser, als der Rest von der Welt, wenn nicht sogar schlimmer. Man glaubt doch tatsächlich, man ist ohne Handy total aufgeschmissen. Das Handy nutzt man heutzutage als Wecker, als Zugverbindung, als Kamera, als Navigationssystem, als Arbeitsgerät für E-Mails, als Zahlungsgerät für e-banking, als Fernseher, als Musikgerät, als Kommunikationsmittel, womit man sich bestimmt NIE einsam fühlen wird, weil es IMMER jemanden gibt, der im WhatsApp online ist und antwortet. Man nimmt es mit zum joggen, weil es die Kalorien zählen sollte, es ist ein moderner Schrittezähler, wobei man das eigene schlechte Gewissen erleichtern kann, wenn man sieht, wie viele Schritte man MIT dem Handy gelaufen ist....es gibt noch vieles andere.

Bei beiden Jakobswegen habe ich mein Smartphone komplett zu Hause gelassen. Was ich bei meinen 1500km am meisten vermisst habe, war Musik. So ist Musik schon sehr wichtig in meinem Leben.

Dass ein Notfall eintrifft, an so etwas habe ich nicht gedacht. Ich habe in dieser Hinsicht auf etwas anderes vertraut. Ich wusste, dass mir nichts passieren wird und sonst wird mir bestimmt ein Mitmensch in der Nähe mehr helfen können, als jemand am anderen Ende vom Telefon.


Viele Mitpilger, die ich auf den unzähligen Kilometern getroffen haben, hatten ein einschneidendes Erlebnis im Leben, haben ihr Leben gerade über den Haufen geworfen, haben den Job hingeschmissen, bemerkt, dass sie zu viel gearbeitet haben oder sie hatten Sommerferien, bevor das Studium anfängt. So bin ich vor allem Pilgern begegnet, welche in einer ähnlichen Situation wie ich waren.
Sinn von meinem Jakobsweg war: Danach etwas zu ändern!

Meine Fotografie...

...muss nicht einzigartig sein, muss man nicht verstehen, muss man nicht hinterfragen, muss man nicht nachvollziehen können, muss man nicht bewerten. Man darf sie geniessen und träumen.